Waldbaden im Huglfinger Wald

„Waldbaden ist doch nur neumodischer Kram und am Ende nur ein Spaziergang im Wald, mit dem Menschen Geld machen wollen! Dafür brauche ich doch keinen Trainer! Ich gehe einfach selbst in den Wald.“  Das ist immer noch die weit verbreitete Außendarstellung und (leider) entrüstet-genervte Einordnung.

Japan gilt als das Ursprungsland des Waldbadens, in dem die langsame, achtsame Form des Waldbegehens seit den 80er Jahren etabliert, seit den 2000ern auch medizinisch anerkannt und eine klassisch verschriebene Stresspräventionsmaßnahme ist. Bei uns in Deutschland ist es mittlerweile als gesundheitsfördernde Maßnahme eingeordnet, da die weltweite naturwissenschaftliche Forschung die Studienlage aus Japan untermauert.

Klingt in unseren bayerischen Ohren immer noch seltsam. Wir wissen doch – vor allem im Alpenverein – dass Natur uns guttut! Also hilft wie oft: Ausprobieren macht schlauer. Und wenn man eine zertifizierte Waldbaden-Trainerin und Wald-Gesundheitstrainerin dabeihat, kann doch nichts schiefgehen, oder?

Das Waldstück, in das wir uns bewegen, zeigt: hier waren vor Kurzem noch Holzarbeiten.
Wir klettern über viele Stolperfallen, um zum Kursort zu kommen. Aber nicht schnell. Alles langsam. Und das nervt den ein oder anderen schnell. Aber warum nervt das Langsame? Hetzen wir im Alltag nicht häufig schon viel zu schnell von A nach B und Stress ist an der Tagesordnung? Da wäre doch eine niedrigere Geschwindigkeit durchaus mal angebracht?

Nach einer Kennenlern-Übung sitzen wir still und beobachten unsere Umgebung unter Anleitung anders, als wir es sonst tun. Und sind überrascht, dass wir über die Zeit immer mehr Hören oder Riechen, wenn wir die Augen geschlossen haben. War das jetzt eine Meditation? Oder eine Wahrnehmungsübung? Oder ist Meditation Wahrnehmung? Am Ende auch völlig egal, denn es macht Spaß und wir sind neugierig auf mehr.

Wir staunen, was es in den zweieinhalb Stunden alles auf dem kleinen Fleck Natur zu entdecken gibt und teilen, was uns begeistert. Oft sind wir dafür in den Übungen allein unterwegs. Hast du die Rinde gesehen? Auch mal angefasst? Nadeln zerrieben? War das eine Orchidee? Die Steine im nebenan plätschernden Bach sind kühl und riechen modrig! Der Boden ist hier trockener als dort. Warum? Dazu stellen wir irgendwann fest, dass unsere Stimmen leiser geworden sind und uns das Langsame gar nichts mehr ausmacht. Das ging aber schnell! 20 min Übung sind schon rum? Wow, hab ich gar nicht gemerkt.

Als Abschlussritual gibt es einen selbstgemachten Tee und wir versuchen zu erschnuppern und zu erschmecken, aus was er besteht. Kiefernadeln? Thymian?
Gemeinsam stellen wir fest, dass es solche Momente viel öfter braucht. Und wir vor Allem die Natur für das schätzen dürfen, was sie ist. Denn sie ist immer da für uns zur Erholung.
Wir nutzen es nur zu wenig, weil wir es im Alltagswahnsinn nicht erkennen.

Einvernehmlich nickend verlassen wir den Wald völlig entspannt und freuen uns auf den restlichen sonnig-warmen Tag. Eilig haben wir es mittlerweile nicht mehr.