Skitour Tschachaun

In den Lechtaler Alpen liegt versteckt zwischen Heiterwand und Namloser Wetterspitze der Tschachaun. Im Sommer ist dieser unscheinbare Grashügel der Hausberg der Anhalter Hütte, da er in nur 45 Minuten erreichbar ist. Im Winter hat die Hütte geschlossen, und wer die idealen Skihänge die von seinem Grasrücken und vom Kar des Steinmannl geformt werden herunterfahren möchte, der muss schon einen weiteren Weg gehen. Und das ist heute unser Vorhaben.

 
Früh zeitig treffen wir uns in Penzberg an einem Parkplatz. Die meisten von uns sind mit Autos angereist. Wir stehen am Gehsteig und warten, ob noch weitere der angekündigten Teilnehmer kommen. Noch etwas verschlafen stellt sich jeder vor. Die Euphorie hält sich jedoch in Grenzen, denn entgegen dem angekündigten meist sonnigen Wetter, hängt eine dicke Wolkendecke über uns, aus der es auch noch schneit und regnet. Während wir uns so unterhalten kommt nun auch Vanessa angelaufen. Sie wohnt gleich um die Ecke, und genießt heute einen besonderen Service, denn ihr Vater läuft neben ihr, und trägt ihr die Ski zum Treffpunkt. Jetzt da wir vollzählig sind, kann es endlich losgehen. Also schnell Ski und Ausrüstung in die Autos der Fahrer verladen, und auf geht’s!

 
Pünktlich um 9:00 kommen wir in Namlos an. Es ist kalt, aber die Wolkendecke hat sich gelichtet. Wir sehen blauen Himmel und die Sonne. Jeder von uns macht sich startklar. Mit einem munteren Gemurmel startet unsere kleine Gruppe, bestehend aus Claudia, Martin, Monika, Johannes, Vanessa, Martin und mir.

 
Für eine sehr lange Zeit wird heute der Brentersbach unser Gefährte sein. Er führt weit in die Berge hinein bis zum Faselfeiltal. Wir folgen dem Flusslauf. Über uns der blaue Himmel, unter uns glitzernder Schnee, und vor uns die Heiterwand. Hin und wieder hört man ein Gespräch zwischen den Teilnehmern. Doch die ganze Zeit begleitet uns das gleichmäßige Klipp-Klapp der Ski-Bindungen. So schieben wir unsere Ski vor uns hin, bis auch das letzte Gespräch verstummt ist, und man nur noch den Rhythmus der Bindungen hört: Klipp-Klapp, Klipp-Klapp, Klipp-Klapp.
Das Schweigen ist aber nicht unangenehm, sondern jeder genießt die Stimmung und die Eindrücke, die uns dieser Morgen bietet.

 
Nach einer Stunde und drei Kilometern erreichen wir den Ochsenmaiswald, und beschließen Pause zu machen. Vor uns steht ein großer Berg, und wir fragen uns, ob das wohl unser Ziel ist. Nach einem kurzen Blick in die Karte stellen beide Martins fest, dass dies erst der Imster Mitterberg ist. Der Tschachaun liegt noch weiter taleinwärts, und ist noch nicht in Sicht. Nachdem jeder etwas getrunken hat, und mindestens ein Dutzend Fotos geschossen wurden, geht unsere Tour weiter.

 
Der Weg zum Falselfeiltal ist nicht steil, aber weit. Und so hört man bald wieder nur: Klipp-Klapp, Klipp-Klapp, Klipp-Klapp. Mit jedem Schritt rückt die Heiterwand ein Stückchen näher. Jetzt sieht man auch, wie die Wolken mit ihr spielen. Immer wieder schwappen kleine Fetzen über den Rand, während die Sonne hoch über dem Kamm thront.

 
Nach einer weiteren Stunde erreichen wir endlich den Fuß des Faselfeiltals, und erhalten einen ersten Blick auf den Tschachaun. Die Steigung nimmt endlich zu, und wir gewinnen an Höhe. Inzwischen sind so viele Wolken über den Kamm der Heiterwand gelangt, dass wir im Schatten sind. Allein der Gipfel des Tschachaun und des Imster Mitterbergs liegen noch in der Sonne. Wir selbst, die wir gerade am Fuß des Imster Mitterberg stehen, bewundern seine Ostwand: Steile scharfkantige Felstürmchen, die alle mit einer sanften Schneedecke gekrönt sind. Dort oben ist noch Sonne, während wir selbst schon im Schatten stehen. Ein bizarrer Anblick.

 
Auf unserem Weg hierher wurden wir die ganze Zeit von der Sonne verwöhnt, doch nun unter den Wolken, ist es kalt. Ein leichter Wind bläst das Kar hinunter. Unzählige Spitzkehren führen hinauf. Ein kurzer Test mit den Ski-Stock: Der Schnee ist perfekt. Das wird eine tolle Abfahrt. Bei den breiten Hängen kann jeder seine eigene Spur in den Schnee ziehen. Motiviert gehen wir nun die scheinbar nicht enden wollenden Spitzkehren an. Man hört wieder nur: Klipp-Klapp, Klipp-Klapp, Klipp-Klapp. Über uns fährt eine größere Gruppe an Tourengehern in den Hang ein. Sie waren heute schon auf dem Gipfel. Als wir sehen, wie sie freudig den Hang hinunter tollen, wächst die Vorfreude auf die eigene Abfahrt, und im Nu sind wir am Kromsattel. Martin ruft mir zu: „Jetzt sind es nur noch 200 Höhenmeter!“

 
Hier oben scheint auch wieder die Sonne. Auf diesem Sattel öffnet sich der Blick in ein weiteres langes Tal gen Westen. Aber nun heißt es erst einmal Endspurt, und ehe wir uns versehen, stehen wir am Gipfel. Eine große weitläufige Kuppe. Der Schnee hier ist völlig zerfahren, was erahnen lässt, dass der Tschachaun heute schon einige Besucher hatte. Uns bietet sich eine interessante Aussicht dar. Man kann nicht alles sehen, da viele Berge in Wolken gehüllt sind. Manchmal sieht man einen Berg, dann verschwindet er wieder. Eben ist da noch ein weiteres endloses Tal, dann ist es wieder weg. Die Wolken spielen mit uns. Ein weiterer Wolkenfetzen zieht auf, die Sonne in der wir uns eben noch gewärmt haben, ist verschwunden, es wird kalt.

 
Nach einer halben Stunde Gipfelrast, haben alle genug Fotos geschossen, die Aussicht genossen und uns erholt. Außerdem können wir es kaum noch erwarten, abzufahren. Also stürzen wir uns in das weiße Gold, und machen unsere mühselig erarbeiteten Höhenmeter zu Nichte. Was für ein Spaß! Was für ein toller Schnee! Es hat sich gelohnt. Zu schnell stehen wir wieder am Fuß des Faselfeiltals. Ein letzter Blick geht sehnsüchtig zurück auf den Tschachaun, bevor er hinter dem Imster Mitterberg wieder verschwindet. Genüsslich gleiten wir entlang des Brentersbach aus dem Tal in Richtung Namlos, und können auf eine schöne Skitour zurückblicken.

Jana Winkler