Skihochtourenwoche Ortleralpen

Sonntag 27.03.2022 – Marteller Hütte 2610m

Ausschlafen trotz Zeitumstellung – 10 Uhr Start für Anja, Martin, Claus, Rainer und Marcus in Penzberg, Burkhard wird in Oberau aufgenommen. Staufrei geht es über Fern- und Reschenpass in den Vinschgau und weiter hinauf zum Parkplatz im hinteren Martelltal. Das Ziel für den Abend, Abendessen auf der Marteller Hütte 18:30 Uhr, wird souverän erreicht – den zwischen Sumpf und Blankeis liegenden Bedingungen zum Trotz (Bild 1). Es bleibt noch ausreichend Zeit, um Sonnenschein, Bergpanorama und nette Gespräche auf der Hüttenterrasse zu genießen.

Montag 28.03.2022 – Cevedale 3769m, Palòn de la Mare 3703m, Rifugio Branca 2493m

Frühstück 6 Uhr, ein langer Tag mit vollem Gepäck steht an. Kurz nach 7 Uhr starten wir mit der aufgehenden Sonne über den Langenferner – hier ist der Name Programm – zum Cevedale (Bild 2). Extrem windbeeinflusster Schnee, kunstvolle Sastrugi vor der grandiosen Kulisse mit Königspitze und Ortler begleiten uns (Bild 3). Der nordseitige, sehr steile Aufschwung und der kurze Grat zum Cevedale-Gipfel wird mit Steigeisen erledigt (Bild 4). Oben genießen wir die Brotzeit bei wolkenlosem Himmel und bester Fernsicht mit grandioser Gipfelschau – Marmolada, Brenta, Adamello, Bernina … (Bild 5)

Die Zwischenabfahrt südostseitig zum Vedretta de la Mare erfordert anfangs etwas Gespür beim Auffinden guten Schnees, bietet aber doch bald 500hm schönen Firn (Bild 6). Bei gut 3200m wird aufgefellt und angeseilt. 100hm oberhalb des Col de la Mare erzwingen Blankeis und sehr harte Bedingungen wieder das Gehen mit Steigeisen bis zum Gipfel des Palòn de la Mare (Bild 7). Von hier haben wir beste Aussicht auf den Fornokessel und mögliche Touren für die kommenden Tage .

Nach dem Abstieg am Südgrat zum Ghiacciaio del Palòn de la Mare machen wir uns für die Abfahrt zu Brancahütte bereit. Der Schnee verheißt zunächst nichts Gutes. Wir kurven eher zurückhaltend über die harte, stark windgeprägte und teilweise blanke Gletscherfläche. Erst als der Gletscher nach Südwesten einknickt, wird es firnig und die Abfahrt genussvoller (Bilder 8, 9). Durch eine gut zu fahrende Rinne und weiter vorsichtig über schneearme Passagen gelangen wir letztendlich unbeschadet zu dem im Winter unsichtbaren Lago delle Rosole. Knapp 50hm mit Ski auf dem Buckel unter der brennenden lombardischen Sonne verlangen noch einmal Leidensfähigkeit, dann ist sie erreicht, die Brancahütte (Tops: Gastraum nett mit Kachelofen, Essen sehr lecker, Trockenraum warm und groß; Flops: Zimmerlager winzig, Speisesaal laut). Nach dem 4-Gänge-Abendmenü, dem einen oder anderen Weinchen und Bierchen sowie der weiteren Tourenplanung ist der Tag auch schon vorbei und die Hüttenruhe zwingt uns in die Federn.

Dienstag 29.03.2022 – Monte Giumella 3593m, Punta San Matteo 3678m

Frühstück 7 Uhr, wir versuchen das hektische Gewusel im Frühstücksraum zu ignorieren und lassen uns Zeit. Erfreulicherweise scheint dann beim Start gegen halb 9 Uhr, trotz vorhergesagten null Sonnenstunden, die Sonne durch den milchigen Himmel. Der anfängliche Aufstieg bis zum Fornogletscher ist skitechnisch gesehen in nicht mehr ganz so idealem Zustand – schneearme, bröselige steile Moränenhänge und eine harte Spur zwischen Eiswülsten zwingen zu konzentriertem Gehen (Bilder 10, 11). Weiter vorbei an steil aufragenden Eismassen am Ende der Gletscherzunge und ersten Eisbrüchen geht es dann entspannter ins das Gletscherbecken unterhalb der Punta Cadini (Bild 12).

Da jedoch die Aufstiegs-/Abfahrtsmöglichkeiten Richtung Punta San Matteo wesentlich besser aussehen, verwerfen wir den ursprünglichen Plan, die Punta Cadini zu besteigen. Dynamisch und flexibel entscheiden wir, auf den Monte Giumella und weiter ggf. die Punta San Matteo zu gehen. Den ersteren Berg müssen wir uns nach Skiaufstieg zum Colle degli Orsi über eine gute Strecke mit Ski am Rucksack und Steigeisen an den Füßen verdienen (Bild 13). Auf den letzten 50hm wird es noch einmal spannend. Geländerseil und Fixseil werden installiert und über abdrängende Platten, eine kleine Firnrinne und abschließenden Brösel mit eingelagerten Stacheldrahtrelikten aus dem 1. Weltkrieg erreichen wir den Felsgipfel des Monte Giumella (Bild 14). Trotz der doch ganz guten Aussicht und dem fotogenen Gipfelzacken machen wir uns bald wieder an den Weg am Seil retour nach unten.

Zurück am Skidepot stellt sich nun die Frage: Direkt abfahren oder noch schnell die Ski zur Punta San Matteo tragen und von dort abfahren? Da sich das Wetter immer noch von seiner guten Seite zeigt, entscheiden wir, die Punta San Matteo noch mitzunehmen (Bild 15). Eine halbe Stunde später stehen wir oben und es hat sich gelohnt, Wetter passt, Aussicht passt und vor uns liegen 1200hm Abfahrt (Bild 16).

Diese folgt anfangs idealen Hängen, bis wir kurz oberhalb eines Gletscherbruchs nach rechts über eine kurze, extrem steile Passage (Bild 17) ein- und abschwingen oder -rutschen, um wieder in schönes Skigelände zu gelangen (Bild 18). Im unteren Bereich lauert dann leider doch noch Sumpf und aperes Gelände, durch welches wir nicht mehr ganz so elegant die letzten Meter zur Brancahütte hinter uns bringen (Bild 19).

Mittwoch 30.03.2022 – Pizzo Tresero 3594m

Nach dem Frühstück starten wir bei noch einigermaßen guten Sichtbedingungen erneut Richtung Fornogletscher. Ziel des Tages ist der Pizzo Tresero, jedoch ist das vorhergesagte Wetter eher nicht so optimal. Bei leichtem Schneefall und zunehmend schlechteren Sichten zeigt sich der Berg doch etwas widerspenstig (Bild 20). Einer Aufstiegsspur vom Vortag folgend, gelangen wir in meist flachem Gelände in das Gletscherbecken ostwärts des Tresero. Ab hier wird das Gelände steil, Harscheisen kommen zum Einsatz und schließlich müssen wir, die Ski am Rucksack, den letzten Aufschwung mit Steigeisen bewältigen. Am Verbindungsgrat zwischen Punta Pedranzini und Tresero empfängt uns ein unangenehmer Südwind. Nach einer netten Gratpassage (Bild 21) lassen wir die Ski auf den letzten Metern zurück und erreichen über teilweise aperen Schutt den Gipfel des Pizzo Tresero mit interessantem Gipfelkreuz. Die Aussicht ist gleich Null, aber auf der Nordseite finden wir für die Gipfelbrotzeit ein angenehmes, windgeschütztes Plätzchen (Bilder 22, 23).

Die Abfahrt ist aufgrund der sehr beschränkten Sichtbedingungen dann kein Spaß. Vom Skidepot steigen wir zunächst noch ein paar Meter nordwärts ab und wechseln dann auf die Bretter. Die schon fast verschneiten Aufstiegsspuren nur erahnend, tasten wir uns langsam nach unten. Claus’ GPS-Gerät ist hier Gold wert, er fährt voraus, mit Blick auf den Track vom Aufstiegsweg und wir folgen. So geht es, gefühlt schier endlos, durch das weiße Nichts, bis wir auf den letzten 300hm dann den Blindflug hinter uns lassen und zur Hütte einschwingen.

Nach dem nun schon routinemäßigen Nachbereiten von Mensch und Material wird hier „16:30 free aperitif and dancing“ angekündigt!? Und tatsächlich, gegen 17 Uhr geht die Post ab … Italo-englisch-deutsche Partymucke, Cocktails sowie Häppchen satt und dazu Tanzeinlagen von den Damen der Hüttenbesatzung. Die Stimmung kocht, die Gäste aus Wyoming, France und auch wir sind begeistert, ein bisschen Après Ski ist doch auch mal ganz nett! (Bild 24) Das quasi nahtlos anschließende Abendessen bringt uns dann fast zum Bersten.

Donnerstag 31.03.2022 – Cima Tre Cannoni 3275m, Marteller Hütte 2610m

Leider bringt das Ende der Woche schlechtes Wetter mit Schneefall und schlechten Sichten. Deshalb brechen wir nach dem Frühstück Richtung Pizzinihütte auf (Bilder 25, 26), um über diese, dann weiter über die Casatihütte und die Cima Tre Cannoni und abschließend über den Langenferner wieder zur Marteller Hütte zu gelangen. Nach einem Cappuccino auf der Pizzinihütte wird der Aufstieg zum Langenfernerjoch ein Spitzkehrenfestival in doch ziemlich steilem Gelände (Bild 27). Die Casatihütte empfängt uns freundlich, da geschlossen. Wir können auf der Hüttenterrasse ungestört noch ein paar Sonnenstrahlen genießen, bevor wir zu unserem letzten „Gipfelziel“, der Cima Tre Cannoni aufbrechen (Bild 28). Auf dem Weg dort hin wird die Sicht bereits schlechter und nachdem wir uns ein paar Eindrücke vom Irrsinn des Ersten Weltkriegs machen konnten (Bild 29), umfängt uns das weiße Rauschen. Also muss der Trackmaster Claus wieder ran und wir erreichen nach 200hm Blindflug die Wolkenuntergrenze. Die weitere Abfahrt zur Marteller Hütte ist dann noch richtig schönes Cruisen über den Langenferner und das Moränengelände bis zur Hütte (Bild 30). Hier genießen wir das gute Abendessen und einen gemütlichen letzten Hüttenabend mit tiefgründigen Gesprächen.

Freitag 01.04.2022 – Abfahrt nach Hintermartell zum Parkplatz

Der in der Nacht nur leichte Schneefall nimmt während des ausgiebigen Frühstücks stark zu. Wir beschließen, direkt abzufahren. Die Abfahrt ist zunächst kein Spaß. Die am Vortag noch sichtbaren Steine sind jetzt mit ca. 20cm Pulver überdeckt, die Sharks beißen nach den Ski und lange Flachstücke stellen die Skilanglaufqualitäten auf die Probe. Aber dann kommen doch ein paar gute Schwünge im Pulver zusammen und wir erreichen alle wohlbehalten das Auto (Bild 31). Unter Einsatz sämtlicher Bremsassistenz- und Fahrstabilisierungssysteme und nach sehr aufregenden ersten Kilometern, entkommen wir schließlich auch dem Schneepflug und dem Neuschnee im Martelltal.

Mit der Rückfahrt nach Penzberg geht – trotz der nicht ganz optimalen Bedingungen – eine tolle Woche mit feinen Skitouren, mit einer starken und netten Gruppe zu Ende.

Anja und Marcus